Ein Wettbewerb, drei spannende Projekte: Mit „Sichtbar evangelisch 2022“ suchten wir nach Projekten, die zeigen, wie es Schulen in evangelischer Trägerschaft gelingt, Kindern und Jugendlichen im Schulalltag Raum zu geben für mutiges Handeln. Die Entscheidung ist gefallen – als Gewinnerschulen wurden die Dietrich-Heise-Schule – freie evangelische Grundschule Görlitz, das Gymnasium der Freien Evangelischen Schule Lörrach und die Hans-Ehrenberg-Schule Bielefeld ausgezeichnet. Das Besondere: Neben dem Preisgeld von 2.000 Euro bekamen die Kinder und Jugendlichen der Preisträgerschulen im Vorfeld professionelle Unterstützung durch die Sterntaucher Filmproduktion, um ihre Projekte in Kurzfilmen einzufangen. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen: Mithilfe einer Skriptvorlage „Wie machen wir einen Film?“ kreierten die Schüler*innen eigene Kurzfilme, die durch ihre jeweils ganz eigene Interpretation des Themas begeisterten. Die Schüler*innen der Dietrich-Heise-Grundschule und die Karlis und Freddies aus Lörrach zeigten ihren gemeinsamen Alltag. Aus Bielefeld gab es Vor-Ort-Material aus den vielfältigen Teilprojekten des „Projekts Verantwortung“, das die Schüler*innen selbst vorstellten. Wir freuen uns, die drei Gewinnerprojekte an dieser Stelle inklusive der selbstgedrehten Filme vorzustellen! Alle Hintergründe zur Prämierungsfeier am 17. November 2022 in Hannover finden Sie in einem gesonderten Artikel.
Sichtbar evangelisch 2022 – der Wettbewerb
Was ist mutig? Wer ist mutig? Was gehört zu Mut dazu – und wie gelingt es Schulen in evangelischer Trägerschaft, im Schulalltag Kinder und Jugendliche zu ermutigen, zu Mut zu befähigen und offen zu sein für den Mut der Verantwortung? Um die Art der Beiträge und die Schwerpunktsetzung rund um das Thema „Mut der Verantwortung“ möglichst vielfältig zu halten, setzten wir der Diversität bewusst keine Grenzen. Die Ausschreibung „Sichtbar evangelisch 2022“ gab zwar Themenanreize, hielt die Art der Beiträge – ob nun Projekte, Kunstwerke oder Installationen – jedoch bewusst offen. Die Rechnung ging auf: Aus zahlreichen spannenden Beiträgen überzeugten unsere Jury die drei folgenden Projekte am meisten.
„Wer zu mir kommt, …“
Die Dietrich-Heise-Schule, eine freie evangelische Grundschule in Görlitz, begeisterte die Jury mit ihrem Projekt „Wer zu mir kommt, …„, mit dem sie geflüchtete ukrainische Kinder unterstützt, bei ihnen anzukommen, Teil der Gemeinschaft zu werden und wieder Halt zu finden. Die Schule hat nicht lange gefackelt: Sie nahm bereits unmittelbar nach Beginn der Fluchtbewegung infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Ende Februar die ersten ukrainischen Schulkinder auf. Dies geschah ohne eine rechtliche Grundlage, ohne Kenntnis über den Verfahrensweg, ohne Schulgebühren oder Kosten für Essensgeld zu erheben und einfach im Vertrauen auf den Herrn, der ihnen Kraft und Wege zeigte, für diese Kinder da zu sein und ihnen Normalität in diesem Ausnahmezustand zu bieten. Außerdem organisierten Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern Sammelaktionen für Hilfsgüterlieferungen und Spendenaktionen. Im Rahmen des Projekts hat die Grundschule begonnen, ihren Schüler*innen ganz bewusst die Augen zu öffnen für Themen wie Mut oder Vertrauen. Dies geschieht in Gesprächen in den täglichen Morgenkreisen: Den Kindern wird vermittelt, dass wir unseren Ängsten, unserer Trauer und Sorge nicht machtlos gegenüberstehen. Wir können aus ihnen Mut und Kraft schöpfen, in dem wir beginnen zu handeln. Die Schüler*innen werden angeregt, sich zu engagieren, für andere einzutreten und offen auf die ukrainischen Kinder zuzugehen. Sie haben trotz Sprachbarrieren zueinander gefunden und ihre Gemeinschaft erweitert. Durch dieses bewusste Erleben haben sie die Erfahrung gewonnen, dass sich mit Mut und Vertrauen etwas bewegen lässt. Mutig gemeinsam Zukunft zu gestalten, einander anzunehmen und sich von Barrieren verschiedenster Art nicht entmutigen zu lassen, das zeichnet das Projekt aus. Wie genau das aussieht, zeigen Ihnen die Schüler*innen aus Görlitz mit ihrem Kurzfilm.
„GymnasiumGemeinsam“ – auf dem Weg zum inklusiven Gymnasium
Seit dem Schuljahr 2018/19 existiert am Gymnasium der Freien Evangelischen Schule Lörrach das „GymnasiumGemeinsam – auf dem Weg zum inklusiven Gymnasium„. Durchaus eine Seltenheit, denn im Gymnasium ist es sonst noch oft üblich, Inklusion nicht als Aufgabe der eigenen Schulform zu sehen. In Lörrach lernen Schüler*innen der Freien Evangelischen Schule und Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf der Karl-Rolfus-Schule in je einer gemeinsamen Klasse pro Jahrgangsstufe 5-9 in den Räumlichkeiten des Gymnasiums zusammen – mit viel Mut und großem Erfolg. Das ist auch deshalb besonders, weil die Karl-Rolfus-Schule ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit den Förderschwerpunkten geistige und körperlich-motorische Entwicklung ist. Außerdem wird sie und von einem katholischen Träger, dem St. Josefshaus, getragen. Damit ist das Projekt inklusiv und ökumenisch.
Die Inklusionsklassen bestehen aus 23 „Freddies“ und 6 „Karlis“ – so werden liebevoll die FES- bzw. KRS-Schüler des „GymnasiumGemeinsam“ genannt. Die FES-Schüler werden nach dem Bildungsplan Gymnasium, die KRS-Schüler werden heterogen nach dem Bildungsplan GENT und LERNEN unterrichtet. Die Endstufe der Projektionsphase ist erreicht, wenn fünf Klassen (je eine in den Stufen 5-9) „GymnasiumGemeinsam“ in der Schule verankert sind. Das wird voraussichtlich zum Schuljahr 2024/2025 der Fall sein. Danach wird das „GymnasiumGemeinsam“ in ein Dauerprojekt überführt. Die Projektbeteiligten wollen am Gymnasium der Freien Evangelischen Schule Lörrach Grenzen, wenn schon nicht sprengen, dann doch zumindest verschieben. Somit möchten sie alle am Schulleben Beteiligte – allen voran die Klassen des „GymnasiumGemeinsam“ – herausfordern, mutig Verantwortung zu übernehmen. All dies braucht Mut – Verantwortung sehen, nehmen und anwenden. Im Sinne des anderen. Entgegen dem Trend einer Ich-zentrierten Gesellschaft. Manchmal muss man sich dabei selbst überwinden, seine Ängste, Vorurteile. Seine Bedürfnisse zurückstellen und die des anderen höher achten. Das kostet u.a. Mut. Die Lehrkräfte und Schüler*innen des Projekts nehmen diese Verantwortung als Chance, hin zu einer gelebten „Normalität“, auf dem Weg zum „GymnasiumGemeinsam“. Den selbstgedrehten Kurzfilm der „Freddies“ und „Karlis“ schauen Sie sich hier auf YouTube an.
Das „Projekt Verantwortung“
Durch das „Projekt Verantwortung“ möchte die Hans-Ehrenberg-Schule Bielefeld ihre Schüler*innen ermutigen, eigenes Engagement und die Übernahme von Verantwortung zu zeigen. Im Schulprogramm des Gymnasiums heißt es dazu:
„Wir möchten unseren Schülerinnen und Schülern diese Welt und unsere Gesellschaft nicht als fertig und unveränderbar nahebringen, sondern sie sollen diese Welt als unvollendete Welt begreifen lernen. Wir fördern und fordern Engagement und Leistungsbereitschaft, aber auch die Übernahme von Verantwortung.“
Die Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung setzt zum einen Vertrauen in sich selbst und eine realistische Einschätzung der eigenen Person und zum anderen das Bewusstsein über ein mögliches „Scheitern“ voraus und ist daher auch immer ein Wagnis. Durch das Projekt möchte die Schule einen weiteren Schritt auf dem Weg gehen, Schüler*innen zu diesem Wagnis zu ermutigen. Sie sollen sich daran zu autonomen und beziehungsfähigen Erwachsenen entwickeln. Damit das nicht zufällig passiert, haben die Fächer Religion und Politik in Jahrgang 9 jeweils eine Stunde abgegeben, um das Projekt zu ermöglichen. Dieses wird zweistündig durchgeführt, Vorbereitung und Reflexion gehören hierbei zum Schulalltag dazu. Die Schüler*innen des laufenden Jahres berichten denen des Jahrgangs 8 von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen. Nach einer einjährigen Erprobungsphase ist das Projekt als Halbjahresthema jetzt im neunten Jahrgang fest verankert. In einer Einführungsphase entwickeln die Schüler*innen eine eigene Projektidee im diakonisch-caritativen, ökologischen, politischen oder sozialen Bereich, die sie dann in der eigentlichen Projektphase umsetzen. Dies sind z.B. Projekte in der örtlichen Bahnhofsmission, als Jugendtrainer*in einer Fußballmannschaft oder in einem Faire Trade Laden – der selbstgedrehte Kurzfilm der Schule stellt Ihnen alle Teilprojekte auf sehr charmante Art und Weise vor. In dieser Phase entfallen dann die zwei Stunden Unterricht. Abschließend werten die Teilnehmenden in einer Präsenzphase das Projekt aus und ziehen nachhaltige Learnings. Mit der Verankerung im Curriculum wird Verantwortung schließlich zur Selbstverständlichkeit.
Die Jury: facettenreich
Die Jury für die Auswahl der Beiträge für „Sichtbar evangelisch“ war mit Menschen unterschiedlichster Expertise besetzt. Zum Beispiel mit MdB, Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales und Mitglied des Rats der EKD Kerstin Griese, Rapper und Aktivist Fidi Baum, Leiterin des Dezernats Kirche und Bildung der Evangelischen Kirche in Württemberg Carmen Rivuzumwami, freie Journalistin und Jugendbuchautorin Tania Witte und pädagogische Geschäftsführung der ESS EKD Dr. Ina Döttinger.
Fazit
Dr. Ina Döttinger, Pädagogische Geschäftsführerin der ESS EKD meint: „Alle drei ausgezeichneten Projekte zeigen: Mut der Verantwortung in Schule geht!“ Und wir hoffen und wünschen den Projekten, dass sie – Sichtbar evangelisch – viele evangelische Schulen anstecken und inspirieren mit ihrer Arbeit!