Unser Projekt „KI-Strategie für Schulen in evangelischer Trägerschaft“ baut auf drei zentralen Säulen auf: Gezielte Einzelmentorings der teilnehmenden evangelischen Schulen, Werkstattarbeit in Gruppen und zentrale Impulsveranstaltungen zu relevanten KI-Themen. Am 16.01.2025 übernahm Henri Iser vom Fraunhofer IAIS einen Impulsvortrag zum Thema Chatbots & Co, über den wir hier informieren.
KI-Chatbots: Was steckt dahinter und wie können sie in der Schule zum Einsatz kommen?
Regelbasierte Chatbots gibt es schon seit einigen Jahren und bekannte Anwendungen, z.B. Siri, Alexa oder Cortana, haben Einzug in unseren Alltag gehalten. Diese Sprachassistenten finden ihre Antworten innerhalb eines begrenzten Datenkosmos oder innerhalb der Informationswelt des jeweiligen Anbieters. Mittlerweile gibt es immer mehr KI-Chatbots, die auf eine deutlich größere Datenmenge zurückgreifen und nicht nur einfache „Frage-Antwort-Logiken“ bedienen, sondern komplexe sprachlicher Anforderungen verstehen und neue Antworten generieren. Künftig werden KI-Chatbots sicher auch in Schulen genutzt werden – Zeit, sich also mit der Technik und den Möglichkeiten zu beschäftigen. Henri Iser, Data-Scientist beim Fraunhofer IAIS, ist spezialisiert auf LLM-basierte Lösungen für den Public- und Healthcare-Sektor und hat umfangreiche Erfahrung im Training von Sprachmodellen und im Design von KI-Agenten. Er brachte den Teilnehmenden unseres Projekts „KI-Strategie für Schulen in evangelischer Trägerschaft“ wichtige Begrifflichkeiten näher und gemeinsam entwickelten die Schulvertreter*innen Ideen, wie KI-Chatbots in der Schule gezielt zum Einsatz kommen könnten.
Grundlagenbegriffe und wichtige Zusammenhänge

Henri Iser ist Data-Scientist beim Fraunhofer IAIS und spezialisiert auf LLM-basierte Lösungen für den Public- und Healthcare-Sektor.
Große KI-Modelle, die mit riesigen Datensätzen trainiert wurden, werden auch als Foundation-Modelle bezeichnet. Sie bilden die Basis (Foundation = Fundament) auf der speziellere Anwendungen erstellt und damit unterschiedlichste Aufgaben erfüllt werden können. Die Modelle können Bilder erkennen, natürliche Spracheingaben „verstehen“ und gezielte Fragen beantworten. Je nach Trainingsform des Modells unterscheidet man zwischen BERT-, GPT- und Transformer-Modellen. Die GPT-Formate wie Chat-GPT haben ihre Stärken in den Bereichen: Textgenerierung, Dialog, Zusammenfassungen und Frage-Antwort-Situationen. Damit sind sie auch für den Einsatz im Bildungskontext derzeit die überwiegend genutzten Modelle.
Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Sprachmodell oder einen KI-Chatbot zu nutzen:
- Zugang über einen Drittanbieter (Software as a Service): Hier wird der Betrieb in der Cloud oder über eine Schnittstelle ermöglicht. Einzelne Anwendungen werden kostenlos zur Verfügung gestellt, die leistungsstarken Lösungen, die mit aktuelleren Datensätzen arbeiten, sind aber oftmals kostenintensiv. Unklar bleibt mitunter die Frage der Datensicherheit (wo werden die Daten verarbeitet und gespeichert) und es besteht eine Abhängigkeit von einem System, das wirtschaftliche Ziele verfolgt.
- Modelle eigenständig erstellen/ adaptieren
Grundsätzlich ist es möglich, eigene Modelle zu trainieren und lokal zu betreiben. Allerdings setzt dies technisches Know-How, Rechenkapazitäten und entsprechende Kompetenzen auf Seiten der Nutzer*innen voraus. Dazu bieten sich heute Open-Source-Lösungen an, wie z.B. das Sprachmodell Teuken-7B, das u.a. vom Fraunhofer-Institut entwickelt wurde und das über die Plattform www.huggingface.com heruntergeladen werden kann.
Anwendungen in der Schule – Schüler*innen
Um auf verschiedene große Sprachmodelle zugreifen zu können, bieten sich Open-Source-Anwendungen wie www.ollama.com oder www.lmstudio.ai an. Diese bilden eine Nutzeroberfläche, über die der Nutzer auf unterschiedliche LLMs, u.a. das aktuelle DeepSeek, zugreifen kann. Aus Sicht der Schulen sind KI-Chatbots besonders dann interessant, wenn sie dabei helfen, Unterrichtsinhalte/Texte/Lehrmaterialien barrierearm verfügbar zu machen. Schüler*innen oder Auszubildende, die sprachliche, kognitive oder andere Herausforderungen erleben, könnten dadurch die spezifischen Informationen erhalten, die sie in ihrem aktuellen Lernprozess individuell unterstützen.
Anwendungen in der Schule – Lehrkräfte
Für Lehrkräfte könnten z.B. Lehrmaterialien, Stundenentwürfe, Vorhabenplanungen und ähnliche textbasierte Informationen, die bislang unstrukturiert in der Schule vorhanden sind, besser auffindbar sein und adaptiert werden. Dafür könnten sogenannte RAG-Systeme (Retrieval-Augmented-Generation) in Frage kommen, die nur auf einen bestimmten Datensatz zurückgreifen und daraus Antworten generieren. Ein erster Use-Case wird nun mit einer Schule und dem Fraunhofer Institut erprobt. Konkret geht es darum, ein Standardlehrwerk der Pflegeausbildung – sofern hier keine Urheberrechte dagegensprechen – oder schulinterne Ausbildungsunterlagen so über einen KI-Chatbot verfügbar zu machen, dass Auszubildende mit sehr unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen einen vergleichbaren Kenntnisstand erreichen können. Dies kann z.B. durch Anpassung an leichte Sprache, schnelle Auffindbarkeit von Antworten auf spezifische Fragen oder leicht nachvollziehbare Verknüpfungen von Teilaspekten erfolgen.
Chancen Generativer KI
Die grundsätzliche Funktionsweise der Generativen KI basiert auf gut trainierten Sprachmodellen (LLMs) und ist in der Lage, neue Inhalte zu erzeugen. Aufgrund der eingespeisten Datenmengen sind Generative KI-Systeme in manchen Bereichen dem Menschen heute schon erkennbar überlegen bzw. können eine gute Filterfunktion bilden oder als Korrektur genutzt werden. Im Bereich der medizinischen Diagnostik etwa kann KI Ergebnisse aus bildgebenden Verfahren mit tausenden bereits eingelesener Bildern vergleichen und Übereinstimmungen oder Abweichungen in kürzester Zeit erkennen. Der Arzt/die Ärztin kann im Gegenzug die Anamnese des Patienten viel besser in den Zusammenhang stellen und den Menschen als Ganzes betrachten.
Für Schulen bietet Generative KI die Chance, angepasste Lernumgebungen und Aufgabenstellungen für einzelne Schüler*innen zu gestalten. Sie passt dabei Lernprozesse auf ein individuelles Niveau an und gestaltet Aufgaben adaptiv. Zudem kann sie dabei helfen, Benachteiligungen zu nivellieren, etwa durch Übersetzungen oder sprachliche Anpassungen. KI kann bei der Lösung komplexerer Aufgaben unterstützend eingesetzt werden oder bei der Erfassung neuer Lerninhalte Strukturen vorschlagen oder Teilaufgaben übernehmen.
Wie kommen Schulen in evangelischer Trägerschaft ihrer Verantwortung nach?
Bei aller Begeisterung für KI, müssen wir verschiedene Themen aber auch dezidiert betrachten. Da sind zum einen Datenschutzfragen, zum anderen aber auch die Fragen nach der Qualität der Trainingsdaten und der daraus resultierenden Ergebnisse (Garbage In – Garbage Out). Wir brauchen den Aufbau grundlegender Kompetenzen bei Schüler*innen, damit junge Menschen dazu befähigt werden, verantwortlich mit eigenen Daten umzugehen. Wir müssen mit den jungen Menschen gemeinsam Ideen entwickeln, wann der Einsatz einer KI sinnvoll ist und wann nicht, und die kritische Reflektionsfähigkeit stärken. Die setzt an vielen Stellen eine Veränderungsbereitschaft der Schulen und der Akteur*innen voraus: Wissensdomänen verschieben sich von Lehrkräften hin zu den Schüler*innen, die oftmals viel selbstverständlicher mit der Technik agieren. Wir brauchen gemeinsame Überlegungen und einen offenen Austausch über den Umgang mit KI in der Schule.
Auch benötigen wir einen neuen Blick auf Prüfungsformate: weg vom Ergebnis, hin zum Prozess. Und wir brauchen Ressourcen. Sowohl in der einzelnen Schule als auch in der Bildungsadministration, um KI-Lösungen zu entwickeln, die dem Bildungsauftrag dienlich sind. Schließlich brauchen wir noch KI-Kompetenzen in den Kollegien, damit verantwortete und durchdachte Entscheidungen getroffen werden können und der Mensch weiter der Ausgangspunkt von Bildungshandeln ist. Evangelische Schulen haben hier viele Stärken. Sie sind in der Lage, Umgebungen so zu gestalten, dass sie das einzelne Kind und den einzelnen Jugendlichen in den Mittelpunkt stellen – mit und ohne KI!