Interview zu Fortbildungsangeboten, die sich mit zentralen Themen von Schulführung und -entwicklung im Schulalltag evangelischer Schulen beschäftigen.

Die Führung einer evangelischen Schule wird in der Regel von Lehrkräften übernommen, die primär für die Aufgabe des Unterrichtens in zwei Unterrichtsfächern ausgebildet sind. Seit einigen Jahren kristallisiert sich jedoch heraus, dass die Schulführung mehr und andere Kompetenzen als das Unterrichten verlangt. Trends und Herausforderungen unserer Zeit wie eine global vernetzte Gesellschaft, Pandemie oder Klimawandel verändern auch unsere Schulorganisationen und erfordern eine Anpassung an Leitung und Zusammenarbeit. Zudem hat sich mit Einführung einer verbindlichen Inklusion von Schüler*innen mit und ohne Beeinträchtigung die Komplexität des Schulleitungshandelns noch erweitert.

Das gesamte Team der Evangelischen Grundschule Babelsberg.

Nicht nur dem eigenen Kollegium so zu begegnen, dass echter Austausch möglich ist, sondern allen Gesprächspartner*innen, ist eine Herausforderung. (Bild: Kollegium der Evangelischen Grundschule Babelsberg)

Der Evangelische Schulbund Nord e.V., die Evangelischen Schulstiftungen in der EKBO, Sachsen sowie in Mittel- und Norddeutschland und wir als Evangelische Schulstiftung in der EKD (ESS EKD) bieten daher passgenaue Fortbildungsangebote an, die sich mit zentralen Themen von Schulführung und -entwicklung im Schulalltag beschäftigen. Sie möchte Mitglieder von Schulleitungen in ihrer Rolle stärken und ihnen Instrumente und Methoden an die Hand geben, die den Führungsalltag erleichtern. Wie sehen die inhaltlichen Schwerpunkte der jeweiligen Fortbildungen im Detail aus und wie wird das Thema Praxisnähe konkret umgesetzt? Wir haben bei Susanne Raab, Vorstandsvorsitzende des Schulbunds Nord e.V., Kai Gusek, Vorsitzender des Vorstands der Schulstiftung der Ev.-luth. Kirche in Norddeutschland und Dr. Ina Döttinger, Pädagogische Geschäftsführerin der ESS EKD, in einem Interview nachgefragt.

Welche Kompetenzen braucht die Schulleitung einer evangelischen, inklusiven Schule heute?

Dr. Ina Döttinger: Thomas Oertel, der Leiter der Fortbildung der ESS EKD „Führen und Entwickeln einer (inklusiven) Schule in evangelischer Trägerschaft„, vergleicht die Rolle der Schulleitung mit der einer Kapitänin: Einerseits muss ich wissen, wo wir sind. Andererseits muss ich wissen, wo wir hinwollen – und wie wir dahin kommen. Dafür braucht es ein ganzes Portfolio an Kompetenzen und Eigenschaften. Um nur einige zu nennen: Weitsicht – um eine Vision zu entwickeln: wie wollen wir als Schule sein? Der Blick aufs Detail – insbesondere in einer inklusiven Schule: was brauchen einzelne Schüler*innen mit ihren jeweiligen Herausforderungen jetzt gerade, um gut lernen zu können? Oder das miteinander Reden: Schulleitungen haben mit sehr verschiedenen Gesprächspartner*innen zu tun. Mit Menschen unterschiedlichen Alters in den verschiedensten Berufsgruppen. All diesen Gesprächspartner*innen so zu begegnen, dass echter Austausch möglich ist, ist eine große Herausforderung

Pastor Kai Gusek, Vorsitzender des Vorstands der Schulstiftung der Ev.-luth. Kirche in Norddeutschland

Menschliche Kompetenz als Schlüsselqualifikation für Schulleitungen: Pastor Kai Gusek, Vorsitzender des Vorstands der Schulstiftung der Ev.-luth. Kirche in Norddeutschland.

Kai Gusek: Neben den erforderlichen pädagogischen Kompetenzen für die Schulentwicklung, Konzeptanpassung, Begleitung und Entwicklung der Kolleg*innen, Hospitationen usw. braucht es ein breites Spektrum an weiteren Kompetenzen. Neben den von Frau Döttinger genannten, möchte ich insbesondere die Menschliche Kompetenz hervorheben. Eine Schulleitung ist für eine Vielzahl an unterschiedlichen Gruppen im Kontext Schule verantwortlich. Außerdem muss sich ein/e Pädagog*in in die verschiedenen Führungsinstrumente eindenken, einarbeiten, sie teilweise (neu) erlernen und für sich bewerten. Personalführungskompetenz ist somit oft wichtiger als die pädagogische Kompetenz. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die strategische Kompetenz: Eine Schulleitung entscheidet im Alltag oft „auf Sicht“. Die täglichen Herausforderungen scheinen das Bild zu prägen. Das ist allerdings zu kurz gedacht, denn aus den vielen kleinen Entscheidungen lässt sich ein großes Bild, ein Kurs, ein Weg erkennen. Es wäre schön und für das System Schule vorteilhaft, wenn dies nicht nur im Rückblick und quasi zufällig zu erkennen wäre. Ziele für die Schule und die Schulgemeinschaft helfen, statt aus der Zufälligkeit heraus besser einen gesteuerten Prozess zu organisieren.

Susanne Raab: Schulleitungen an christlichen Schulen brauchen neben den Fähigkeiten in der Organisations- und Schulentwicklung schwerpunktmäßig eine Sprachfähigkeit bezüglich ihrer Werte. Sie sind gefragt, die Schulen als Teamplayer durch Herausforderungen zu leiten und Orientierung für die verschiedenen Akteure in der Schulgemeinschaft zu geben.

Welche Zielgruppen(n) sprechen Sie mit Ihrer Fortbildung an?

So gelingt Schulleitung: Beim zweiten Modul des Seminars „Führen und entwickeln einer (inklusiven) Schule in evangelischer Trägerschaft“ der ESS EKD mit Thomas Oertel ging es vor allem um Kommunikation.

Zielgruppe der ESS EKD: Schulleitungen evangelischer Schulen aus dem gesamten Bundesgebiet und aus allen Landeskirchen.

Susanne Raab: Die Fortbildung „Professionalisierung für Schulleitungen und Schulleitungsteams“ des Ev. Schulbundes Nord e.V. richtet sich an Schulleitungen, Mitglieder von Schulleitungsteams oder andere Verantwortliche in Schule. Darüber hinaus haben auch verschiedene Trägermitarbeitende bereits in den vorherigen 21 Kursen unsere Fortbildungen zu dem Thema besucht.

Kai Gusek: Unsere „Schulleitungsqualifizierung“ spricht Pädagog*innen an, die eine Schulleitung übernommen haben, die für Leitungsaufgaben vorgesehen sind, die als stellvertretende Schulleitung arbeiten oder die sich im Zuge der Personalentwicklungsplanung darauf vorbereiten. Dabei haben Mitarbeitende folgender Trägerstiftungen bei den Anmeldungen Priorität: Schulstiftung der EKBO, Schulstiftung der EKM, Schulstiftung der Nordkirche, Schulstiftung Sachsen und Hoffbauer-Stiftung.

Dr. Ina Döttinger: Zielgruppe für die Fortbildung der ESS EKD durch Herrn Oertel sind einerseits Schulleitungen evangelischer Schulen aus dem gesamten Bundesgebiet und aus allen Landeskirchen, die eine evangelische Schule neu übernehmen oder gar gründen. Und andererseits Schulleitungen, die sich neu aufstellen wollen und/oder einen Schwerpunkt auf das Thema Inklusion setzen. Entscheidend ist, dass eine Schulleitung nicht allein ins Seminar kommt, sondern immer zwei Teilnehmende aus einer Schule da sind. Das vereinfacht es, das Gelernte gut in die Schule hineinzutragen.

Wie sehen die inhaltlichen Schwerpunkte aus?

Die ESS EKD bietet ab September 2023 eine Seminarreihe zur Schulführung und -entwicklung unter Perspektive eines inklusiven Schulverständnisses an.

Die Rolle von Schulleitungen ist es, zu steuern und nicht selbst zu rudern.

Susanne Raab: Im Kern möchten wir Menschen, die Verantwortung in den Schulen übernehmen, in ihrer Leitungsrolle professionalisieren. Wir möchten in der Seminargruppe aktiv an aktuellen Themen arbeiten, die die Teilnehmenden mitbringen. Diese Herausforderungen ordnen wir dann in den wissenschaftlichen Kontext ein: Die Fortbildung vermittelt Wissen über Führungs- und Leitungsmodelle. Über Rollenverständnis, Kommunikation, und Teamentwicklung. Auch Projektmanagement, Schule als System und Einordnung in Systeme gehören zu den Inhalten der Fortbildung. Diese Inhalte werden anhand von Praxisbeispielen reflektiert und kollegial beraten und auch außerhalb der Seminare gemeinsam in digitalen Treffen weiterbearbeitet. Dadurch erreichen wir Vernetzungen, die ausdrücklich gewünscht sind.

Dr. Ina Döttinger: Die Fortbildung der ESS EKD besteht aus vier Modulen, die die Themen Rollenklärung und Führungsverständnis thematisieren. Außerdem vermittelt die Fortbildung Kommunikation in Form von Sprechen und Gespräch, Instrumente der Schulentwicklung und Widerstand. Ein ganzes Modul widmet sich zudem der Praxis. Es ist einen Tag länger als die anderen Module und enthält als wesentlichen Punkt eine vorbereitete Unterrichtshospitation. Besonderheit der Fortbildung: Das Seminar nimmt die Bedarfe inklusiver Schule in den Blick. Schulleitungen und Schulgemeinschaft inklusiver Schulen müssen sich Veränderungen zutrauen. Sie müssen, so Thomas Oertel, „Lehr-und Lernprozesse so gestalten, dass sie sich an Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Fähigkeiten zu lernen orientieren.“

Kai Gusek: Bestehend aus neun Modulen und einer Laufzeit von 1,5 Jahren, ist unsere Schulleiterqualifizierung inhaltlich sehr breit aufgestellt. Zusätzlich zu den von Frau Raab und Frau Dr. Döttinger genannten Schwerpunkten (außer des Schwerpunkts der Inklusion) widmet sich ein Modul unserer Qualifizierung den Kompetenzen einer digitalen Schulorganisation und -entwicklung. Ein weiteres Modul legt den Fokus auf die Grundlagen zum Wirken von Bühnenpräsenz und eigener Präsentation. Über die Dauer der gesamten Fortbildung arbeiten die Teilnehmenden zudem an einem eigenen Schulentwicklungsprojekt. Außerhalb des Seminars hospitieren sie selbstständig in einer Schule ihrer Wahl. Austausch und Feedback zu diesen beiden begleitenden Themen bieten wir in regelmäßigen Auswertungsworkshops an. Zu guter Letzt richten wir mit unseren Teilnehmenden auch den Blick auf wichtige Themen der Resilienz sowie des Zeit- und Stressmanagements.

Beiden Fortbildungsmöglichkeiten liegt das Thema Praxisnähe sehr am Herzen – wie wird das jeweils umgesetzt?

Kai Gusek: Die Teilnehmenden kommen nicht zur Druckbetankung zu den Modulen. Sie bilden sehr schnell eine kollegiale Lerngruppe, und treffen sich zwischen den Modulen in Regionalgruppen an den einzelnen Schulen. Die Kommiliton*innen hospitieren sich, begleiten sich gegenseitig in der Intervision und in kollegialer Beratung. Sie erarbeiten Praxisprojekte, stellen diese vor und führen ein eigenes Schulentwicklungsprojekt durch.

Dr. Ina Döttinger, Pädagogische Geschäftsführung der ESS EKD

Im Interview: Dr. Ina Döttinger, Pädagogische Geschäftsführung der ESS EKD.

Dr. Ina Döttinger: Zum einen sind die Schulleitungen immer wieder gefragt, aus ihrer alltäglichen Praxis zu berichten. Sie sollen ihre Fragen, Herausforderungen und auch Ansätze in die Fortbildung tragen und gemeinsam daran arbeiten. Das Erlernte wird immer wieder sofort ausprobiert und umgesetzt. Zum anderen ist eines der Module spezifisch darauf ausgelegt, andere Praxis durch Hospitation selbst kennenzulernen. Beides zusammen ergibt eine hohe Praxisnähe, bei der die Teilnehmenden von den Erfahrungen und Sichtweisen ihrer Kommiliton*innen sehr profitieren.

Termine

Die Seminarreihe „Führen und Entwickeln einer (inklusiven) Schule in evangelischer Trägerschaft“ der ESS EKD endet am 07. und 08. Juni 2024 mit dem vierten und letzten Modul. Eine Ausschreibung der Fortbildung für 2025/2026 mit neuen Terminen ist für den Herbst 2024 geplant. Der Evangelische Schulbund Nord e.V. startet seine 22. Ausbildungsreihe der „Professionalisierung für Schulleitungen und Schulleitungsteams“ im November 2024. Die Anmeldung hierfür ist bereits abgeschlossen. Und die Schulleiterqualifizierung der Evangelischen Schulstiftungen in der EKBO, Sachsen sowie in Mittel- und Norddeutschland startet im Herbst 2024 mit einem erneuten Durchgang. Die Planung hierfür wird in den kommenden Tagen abgeschlossen sein. Interessierte können sich unter anderem im Fortbildungsbereich der Schulstiftung der Ev.-luth. Kirche in Norddeutschland anmelden.

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