Seit September entsteht am Evangelischen Gymnasium Nordhorn etwas Wunderbares: ein „FreiRaum“ als Outdoor-Klassenraum, der in gleicher Weise Rückzugsort und Raum für kreatives und selbstständiges Handeln schafft. Ursprünglich geplant als geschlossener Raum mit flexiblem Mobiliar wird nun ein offener und naturnah gestalteter Pavillon mit einer angrenzenden Gartenanlage gebaut. Ein wahre Oase der Ruhe auf dem sonst sehr tristen Schulhof mit eigener Pergola und Natursteinbänken auf zwei Ebenen, die Platz für 30 Schüler*innen bietet. Wir haben das Bauprojekt gefördert und gespannt bei Elias Hoffmann, Organisation schulischer Ganztag, nach dem aktuellen Stand des Spatenstichs gefragt.
Der Schnelllebigkeit des Alltags entfliehen
Καὶπρωῒ ἔννυχα λίαν ἀναστὰς ἐξῆλϑεν καὶἀπῆλϑεν εἰς ἔρημον τόπον κἀκεῖ προσηύχετο.
Und in der frühen Morgendämmerung erhob er sich, ging hinaus, fort an einen einsamen Ort und betete. (Markus 1, 35)
Der obige Passus aus dem Markusevangelium begründet in wenigen Worten den programmatischen Wunsch des Evangelischen Gymnasiums Nordhorn nach einem „FreiRaum“ in der eigenen Schule. Ein Outdoor-Klassenraum, der in gleicher Weise Rückzugsort für den Einzelnen sein kann und Raum für kreatives und selbstständiges Handeln schafft – all dies fern der alltäglichen Hektik auf dem Schulcampus. In einer zunehmend global vernetzten und beschleunigten Gesellschaft hat die Schule für ihre Schüler*innen das Bedürfnis, gerade in Schule den Raum zu gewähren, sich aus der Schnelllebigkeit des Alltags herauszunehmen. Die Kinder und Jugendlichen können so in einem sicheren und stabilen Umfeld, welches nicht durch das Elternhaus vorausgesetzt werden kann, ihr „Selbst“ entdecken und ein eigenes Selbstwertgefühl entwickeln.
In diesem Sinne plante das Gymnasium konkret die Gestaltung eines „FreiRaums“ auf ihrem Schulhof, welcher sich hinter der Mensa befinden soll, da dieser Bereich im Schulalltag nicht aufgesucht wird und somit eine besondere Abgeschiedenheit – ἀπῆλϑεν εἰς ἔρημον τόπον – bietet. Als Ruhe- und Rückzugsraum im freien und naturnahen Umfeld soll der Ort von Schüler*innen bspw. zum Zwecke der Meditation, des Gebets, zum Abbau von Aggressionen oder der Trauerbewältigung aufgesucht werden können – allein oder auch in Begleitung. Da der Outdoor-Klassenraum für bis zu 30 Schüler*innen konzipiert ist, können auch Kleingruppen, Kurse und Klassen für derlei Ansatzpunkte den Ort aufsuchen. Gerade auch für Kurzandachten zu Beginn eines Schultages bezeugt der „FreiRaum“ besondere Eignung.
Ein Outdoor-Klassenraum für den Ganztag
Des Weiteren soll der Raum aber auch den Rahmen gängiger Raumstrukturen in Schule um eine gleichsam innovative und alternative Lernsituation und -umgebung ergänzen. Denn „bildender Unterricht erfordert didaktisch-methodische Vielfalt. Deutsche Schulen brauchen eine zu Leistung herausfordernde und die Lust zum Lernen ansprechende Lernkultur,“ so beschreibt der Rat der EKD die „Maße des Menschlichen“ in seiner Denkschrift. Daher soll der „FreiRaum“ – zugleich als geisteswissenschaftliches Labor konzipiert – selbst gesteuertes Lernen und kreatives Handeln in unterschiedlichen Sozialformen ermöglichen. So soll vor allem langfristig angelegtes, projektorientiertes Arbeiten als zentrales Element des teilgebundenen Ganztags mit dem „FreiRaum“ ein dafür angemessenes Lernumfeld finden. Außerdem ist der Raum auch für die Programme der Schule zur individuellen Forderung, z.B. im Kontext von Wettbewerbsvorbereitungen und -teilnahmen, sowie zur individuellen Beratung und Betreuung in Lernzeiten geeignet.
Die bauliche Umsetzung – ein Zwischenbericht
Um den beiden skizzierten Zielen gerecht zu werden, hatte sich das Evangelische Gymnasium Nordhorn bei der Planung ursprünglich für eine offene Gestaltungsweise entschieden, die im Innern mit freien Formelementen stets variierende Kompositionen zulassen sollte. Um den Ort herum sollte eine ansprechende Grünanlage entstehen. Dieser Aspekt bettet sich weiterhin in die Neugestaltung des gesamten Schulhofes ein, welche für 2024 geplant ist.
Wie viele Gedanken hatte sich das Gymnasium doch wegen seines ersten Modells eines „FreiRaums“ auf seinem Schulhof gemacht, nur damit es am Ende in der realen Umsetzung in vielen Punkten doch ganz anders kam. Dies stimmt die Schule aber keinesfalls unzufrieden. Vielmehr hat bisher der Planungs- und Umsetzungsprozess allen sehr viel Freude bereitet, gerade da sie ihre Überlegungen aus dem Förderantrag konzeptionell mit jedem weiteren Modell erhalten und auf spannende Weise neu umsetzen konnten. Aus einem geschlossenen Raum mit flexiblem Sitzmobiliar ist am Ende ein offener und vor allem naturnah gestalteter Pavillon geworden – mit einer Pergola als Rankkonstruktion, Natursteinbänken als Sitzgelegenheit auf zwei Ebenen und großen Staudenflächen um den Pavillon herum.
Im September war nun Spatenstich und die ersten Ergebnisse sind mehr als beeindruckend, wie auch die Reaktionen der Schüler*innen zeigen. Besonders stolz ist das Evangelische Gymnasium Nordhorn in diesem Zusammenhang natürlich auf ihre fünf Schüler*innen, die an dem Aufbau der Pergola derzeit beteiligt sind. Und mit Vorfreude blicken sie auf ihre große Pflanzaktion mit Kolleg*innen, Eltern und Schüler*innen im Laufe des Novembers!