Die Ostschule in Lemgo hat an dem Förderprogramm „Gemeinsam in die Inklusion“ der Evangelischen Schulstiftung in der EKD teilgenommen. Gemeinsam mit den engagierten Coaches der Initiative Neues Lernen e.V. (INL) haben wir die Schule zwei Jahre lang eng auf ihrem Weg begleitet, neue Pfade des inklusiven Lebens und Lernens zu beschreiten. Diese Porträt beschreibt den Schulentwicklungsprozess der Wünsche und Ziele der Schule, über zahlreiche Workshops und Projekte hin zu den nun gelebten Erfolgen.
Ideen und Wünsche der Schule
Die Ostschule in Lemgo hatte sich zwei Ideen aus dem Anstoßworkshop zur sofortigen Umsetzung herausgegriffen:
- Der Informationsfluss sollte verbessert werden, und zwar durch ein Elterncafé, welches als Forum für den informellen Austausch zwischen Eltern mit und ohne sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf und Lehrkräften dient. Dies sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl steigern und neben der Vernetzung der Eltern miteinander auch Ängste vor Benachteiligung durch „mehr Inklusion“ abbauen.
- Seitens der Schüler*innen wurde der Wunsch eingebracht, keine Hausaufgaben mehr zu haben. Dieser Wunsch wurde von mehreren Eltern unterstützt und als positiv für eine inklusivere Haltung der Schulgemeinschaft eingeordnet. Er sollte durch eine komplette Umstrukturierung der Schuleingangsphase erreicht werden. Statt Hausaufgaben sollten individuelle Lernzeiten zu Unterrichtsbeginn eingerichtet werden, in denen nicht mehr Eltern, sondern multiprofessionelle Teams die Schüler*innen bei der Vertiefung unterstützen.
Engagierte Zielerreichung
Für beide Ideen gelang es leicht, Verantwortliche, Termine und Erfolgsindikatoren zu definieren und schon im Herbst 2018 in die Umsetzung zu starten. Seitens der ESS in der EKD waren wir begeistert, wie leicht und zügig die Herausforderungen angegangen wurden und wie stringent und erfolgreich Ziele schon im ersten Drittel des Schulentwicklungsprozess erreicht wurden. Als ein Resultat des ersten Workshops wurden z.B. zum Schuljahreswechsel 2019/2020 der Stundenplan umgestellt und die Hausaufgaben tatsächlich weitestgehend abgeschafft. Gleichzeitig fiel in den Coachings und Telefonaten auf, dass neben den erfolgreich bearbeiteten Sachthemen vor Allem die Frage nach gelingender Kommunikation im Team und „Fairness“ in der Verteilung von zusätzlichen Aufgaben vermehrt in den Vordergrund rückten. Intensive Arbeit am gewünschten Haltungswandel und Raum für Ehrlichkeit – auch in Bezug auf eigene Bedürfnisse und Grenzen – wurde ebenso zum Thema wie die gemeinsame Suche nach einer größeren Vision, einem „Warum“, für das sich Leitung und Schulgemeinschaft begeistern konnten.
Mit Volldampf ins Glück
Auf dem Barcamp beim Vernetzungstreffen in Bochum kam durch Impulse der INL die Idee auf, den gemeinsamen Weg in die Inklusion mit dem Ziel „Glückliche Schule zu werden“ zu verknüpfen. Der Mut, noch ganzheitlicher heranzugehen und die bisher nicht ausgegeben Fortbildungsgelder hier zu investieren, wurde verknüpft mit strukturellen Veränderungen. Derzeit werden z.B. Weichen gestellt, um den Hort der Schule in die Trägerschaft der Eben-Ezer Stiftung zu übernehmen und zukünftig Schulbegleitungen und OGS-Kräfte selbst anzustellen. Dies ist aus Sicht der Schule eine große Chance, um den Schulentwicklungsprozess und letztlich auch den gemeinsamen Weg in die Integration voranzutreiben. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte die geplante Fortbildungsreihe noch nicht begonnen werden, aber die Ostschule Lemgo ist optimistisch, auf dieser „zweiten Etappe“ neben den identifizierten Herausforderungen nun auch die grundlegenden Veränderungsprozesse angehen zu können.
Welche Erfolge konnten Sie bisher feiern?
An der Ostschule bilden sich zunehmend Professionelle Lern- und Arbeitsgemeinschaften mit einheitlichen Strukturen für eine nachhaltige schulinterne Zusammenarbeit heraus. Der „Blick über den eigenen Tellerrand“ wurde erweitert, das Verständnis füreinander ist gewachsen. Abläufe werden noch besser aufeinander abgestimmt, z.B. werden jetzt AGs im OGS Nachmittag auch von Lehrer*innen durchgeführt. Neue Projekte und systemische Veränderungen bekommen eine längerfristige Einführungszeit, verbunden mit der Absicht zur Fortsetzung – vom Projekt zum Standardprozess. Eine entwicklungsförderliche Schul- und Fehlerkultur hat sich herausgebildet: Neue Strukturen haben wir beispielsweise für die Schuleingangsphase durch ein Lernzeitenkonzept und eine dadurch veränderte Tagesstruktur entwickelt und umgesetzt. Eine Übertragung dieser Struktur aufgrund positiver Erfahrungen im Schulalltag auf die Jahrgänge 3 und 4 ist in Vorbereitung. Bei diesem Modell wird auf klassische Hausaufgaben verzichtet, dafür gibt es in den Schulalltag integrierte Lern- und Übungszeiten. Hinsichtlich des Unterrichts haben wir auf einem Fachtag das System „mathildr“ für den Mathematikunterricht kennengelernt und setzen es mittlerweile bei Bedarf ein, um Kindern einen anderen Zugang zum Rechnen zu ermöglichen. Außerdem haben wir unser „Elterncafé“ geplant und ins Leben gerufen, um einen regelmäßigen und ungezwungenen Austausch zu ermöglichen. Ein bestehendes Logbuch dient inzwischen dazu, den Lernweg eines Kindes transparent darzustellen und zu gestalten. Das Logbuch ist neben dem regelmäßigen Elterncafé ein wichtiges Instrument für den Austausch zwischen Schule und Elternhaus geworden.
Wo gab es Entwicklungen innerhalb der Schulgemeinschaft?
Auf der Mitarbeiter*innen-Ebene haben wir über eine faire Aufgabenverteilung nachgedacht und eine Matrix entwickelt, die zu Beginn eines jeden Schuljahres als Grundlage für die Verteilung der übergeordneten schulischen Aufgaben genutzt wird. Viele Mitarbeiter*innen unseres multiprofessionellen Teams haben zudem mittlerweile den gleichen Arbeitgeber. So ist die OGS jetzt in Trägerschaft unserer Stiftung und viele Schulbegleiter*innen sind ebenfalls von der Stiftung angestellt. Durch den gemeinsamen Träger sind Planungen, Absprachen und Arbeitsabläufe im Schulalltag deutlich leichter geworden. Dies zeigt, dass Entwicklungen auf unterschiedlichen Ebenen stattgefunden haben, aber sicher auch weiter stattfinden werden. Wir sind weiterhin auf dem Weg, werden die entwickelten Konzepte evaluieren und stetig optimieren. Auch das Erziehungskonzept haben wir uns vorgenommen.
Besonders wertvoll und Anstoß für viele dieser Entwicklungen waren unsere Fachtage, an denen wir gemeinsam mit Eltern, Kindern und Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Bereichen zusammengearbeitet haben. Auch dadurch ist das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit inzwischen bei allen Beteiligten präsent. Ausgezeichnet als „Schule der Zukunft“ werden wir uns weiter mit diesem schulübergreifenden Thema auseinandersetzen. Die unterschiedlichen Perspektiven einzubeziehen macht Schulentwicklung erst inklusiv und schafft Ergebnisse, mit denen sich alle am Standort identifizieren können. Das ist eine Erfahrung, die wir nicht mehr missen möchten.
Was haben Sie aus dem Projekt mitgenommen?
Die Ostschule entwickelt sich partizipativ weiter und sichert Teilhabe auf allen Ebenen. Neben den unterschiedlichen Professionen bekommen auch Schüler*innen und Eltern mehr Raum und Möglichkeiten zur Beteiligung und Mitbestimmung – in Klassenrat, Schüler*innenparlament, Elterngremien, Fachtagen, Fortbildungen… . Wir möchten weiterhin für neue Ideen offen bleiben und darüber hinaus den Blick für bereits Geschafftes nicht verlieren. Kommunikation und Austausch werden immer Punkte sein, in denen wir uns weiterentwickeln möchten. Denn nur so können wir weiterhin gut miteinander arbeiten. Durch Achtsamkeit und Wertschätzung untereinander möchten wir unsere Ressourcen stärken. Dabei ist es wichtig, auch mal Ideen zu „spinnen“ und sich zu trauen, diese laut auszusprechen. Schulentwicklung macht gemeinsam viel Spaß, benötigt aber auch viel Energie. Deswegen ist ein gesundes gemeinsames Wachsen und Weiterentwickeln wichtig, das auch Innehalten und Pausen beinhaltet, wie an unserer „Spezialität des Hauses“ deutlich wird.
Was ist in diesem Schulentwicklungsprozess zur „Spezialität des Hauses“ geworden?
Sprechen, Offenheit, Mut, Freude, Wertschätzung und Achtsamkeit sind als Besonderheiten aus diesem Projekt entstanden. Wir erkennen miteinander inklusive Vielfalt als übergeordnetes Ziel an, bringen Offenheit und Experimentierfreude im Umgang und Austausch mit und unternehmen gemeinsam Überlegungen, Wege zu finden, die die Schule jeden Tag ein wenig inklusiver werden lassen. Vielfalt ist bei uns seit Schulgründung „normal“ und „gewollt“. Das ist sicher der größte Schatz, den wir haben, und der Motor für unsere Schulentwicklungen. Da wir eine erst 2014 neu gegründete inklusive Schule sind, stehen wir von Beginn an in einem spannenden Entwicklungsprozess. Unsere Spezialität ist, diese Entwicklung gemeinsam weiter voranzubringen, aber auch zu lernen, gemeinsam einmal das notwendige Innehalten aushalten zu können. Dieses Wechselspiel zwischen einer engagierten und mutigen Entwicklung und dem gelassenen Aushalten des Innehaltens wünschen wir anderen Schulen.
Ihr Erfolgsrezept in einem Satz
Nutze den Schatz der Vielfalt für das Leben in Vielfalt! Nur gemeinsam können wir unsere Ziele und Träume erreichen! Ein leidenschaftliches Verhältnis zur Vielfalt!